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Das Titelblatt der KPMG-Studie

Bauszene

Rechtsgutachten zum klimaverträglichen Bauen

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat ein Impulspapier erstellen lassen, wie die öffentliche Hand Bauprojekte ausschreiben kann, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Das zentrale Instrument dabei ist ein Schattenpreis für CO2-Emissionen.

January 15, 2024

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., die Vertretung von rund 2.000 großen und mittelständischen Unternehmen des Bauhauptgewerbes in Deutschland, hat die Wirtschaftskanzlei KPMG Law, die mit der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft assoziiert ist, beauftragt zu prüfen, wie eine Verpflichtung zum Klimaschutz vergabe- und haushaltsrechtlich zulässig in die Ausschreibungs- und Vergabepraxis der öffentlichen Hand eingeführt werden könnte. Das Gutachten dazu mit dem Titel "Klimaverträglich bauen mit einem Schattenpreis für CO2-Emissionen" wurde Ende vergangenen Jahres publiziert. Die zentrale Idee dabei ist es, den im Zusammenhang mit der Baumaßnahme entstehenden klimaschädlichen Emissionen einen CO2-Schattenpreis zu geben, der zusammen mit dem eigentlichen Angebotspreis in die Bewertung der Angebote einfließt. Den Zuschlag sollte danach nicht das preisgünstigste, sondern das - unter Berücksichtigung der Klimakosten - wirtschaftlichste Angebot bekommen. Diese klimaverträgliche Optimierung von Baumaterialien, Bauweisen, Gebäudetechnik, Baumaschinen, Transporten und Bauprozessen soll schon in einer möglichst frühen Planungsphase und zugleich für allen Beteiligten fair und rechtssicher erfolgen. Was das Impulspapier der Bauindustrie besonders wertvoll macht, sind die zahlreichen praktischen Formulierungsvorschläge für Ausschreibungen und die detaillierten Beschaffungsmodelle und Musterverträge für Bauleistungen im Bereich Hoch- und Tiefbau.

Verpflichtung zum Klimaschutz kann Bauindustrie umsetzen

Klimaschutz ist spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer staatlichen Verpflichtung geworden, so das KPMG-Rechtsgutachten. Die Bauindustrie könne dieser Verpflichtung nachkommen, denn hier existierten bereits Lösungen dafür, wie der Bau von Gebäuden und Infrastruktur einen höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann: Klimaverträglichkeit beginnt in der Bedarfsermittlung (Neubau/Sanierung/Dimension), erfasst dann die Baukonstruktion (z.B. schlanke Dimensionierung von Tragwerken, Holzbau), die eingesetzten Materialien, den Bauprozess (z.B. emissionsfreie Baumaschinen), kurze Transportwege, den Einsatz erneuerbarer Energien, die technischen Eigenschaften und die Nutzung des Bauwerks (z.B. Lebensdauer der Materialien) und die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft im Bau durch die Wiederverwendung von Bauteilen oder durch das Recycling von Baustoffen am Ende des Lebenszyklus. "Stark vereinfacht kann das für den Klimaschutz bedeuten: Sanierung vor Neubau, wiedergewonnenes Material vor Neumaterial sowie Steck- und Schiebeverbindungen vor Klebeverbindungen, um Baustoffe später möglichst einfach trennen und wiederverwenden zu können", so das Impulspapier.

Konsequente Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung auf Klimaschutz

Die öffentliche Hand müsse ihre Beschaffungsprozesse darauf ausrichten, Anreize und Sicherheit für klimagerechte Innovationen zu schaffen, fordert demgemäß der Bauindustrie-Hauptverband. Der Bundesrechnungshof habe 2022 festgestellt, dass „eine größere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Wertung […] dazu beitragen [kann], dass Bieter nachhaltigere Produkte und innovative Lösungen anbieten. Auch die Zulassung von Nebenangeboten kann zu innovativen und umweltfreundlichen Produktalternativen führen.“ Die konsequente Ausrichtung der Beschaffung von Bauleistungen auf Klimaschutz sei auch wichtig, um verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation der Geschäftstätigkeit von Bauunternehmen zu fördern. Denn große Bauunternehmen müssen ab dem Geschäftsjahr 2025 über die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeit berichten und dabei die Definitionen der Taxonomie-Verordnung zugrunde legen. Letztlich "werden die Finanzierungskonditionen eines jeden Bauunternehmens davon abhängen, wie nachhaltig seine Geschäftstätigkeit ist, unabhängig von seiner Größe" so das KPMG-Gutachten. "Um die Investitionen in die klimaverträgliche Weiterentwicklung ihrer Geschäftstätigkeit tätigen zu können, braucht die Bauindustrie Sicherheit. Der Staat muss also bei der Beschaffung von Bauleistungen seiner rechtlichen Pflicht zum Klimaschutz und seiner politischen Vorbildfunktion nachkommen." Darüber hinaus habe er aufgrund seiner Position als starker Nachfrager eine hohe Verantwortung der Wirtschaft gegenüber, die auf dem Weg in die Transformation langfristige Planungssicherheit benötigt.

Bei der Beschaffung klimaverträglicher Bauwerke wären daher aufgrund des KPMG-Gutachtens folgende Punkte wichtig:

Klimaschutz als Beschaffungsziel

Klimaschutz muss ein verbindliches Ziel bei der Planung und Beschaffung von Bauleistungen sein. Auftraggeber müssen bei der Projektvorbereitung klarstellen, welche Rolle sie dem Klimaschutz einräumen und in welchem Maße sie hierfür höhere Investitionskosten akzeptieren. Um verschiedene Lösungswege bewerten und kontrollieren zu können, müssen Auftraggeber sich die notwendigen Kenntnisse verschaffen. Mit der Erstellung einer Ökobilanz steht ihnen eine normierte Methode zur Erfassung und Bewertung des Treibhauspotenzials im Lebenszyklus eines Bauwerks zur Verfügung. Künftig sollen, zumindest im Hochbau für Neubauten, CO2e-Bilanzen verpflichtend eingeführt werden.

Zuschlagskriterien

Vergabeverfahren müssen Wettbewerb um Lösungswege ermöglichen, wie sich möglichst viel Treibhausgas einsparen lässt. Dies erfordert eine Abkehr von der Vergabe an den billigsten Bieter. Ein einfaches Modell sieht wie folgt aus:

  • Die Bieter erhalten die Möglichkeit, das in der Ökobilanz des Auftraggebers ausgewiesene, auf Standarddaten basierende Treibhauspotenzial zu optimieren. Dafür beziffern sie für die von ihnen verantworteten Leistungen das Treibhauspotenzial nach marktüblichen, vom Auftraggeber einheitlich vorgegebenen Standards. Die zu nutzenden Daten müssen einfach verfügbar sein. Für viele Bauprodukte ist schon heute der Rückgriff auf Umweltproduktdeklarationen (EPD) der Hersteller möglich. Ab 2027 sollen Hersteller verpflichtet sein, das Treibhauspotenzial ihrer Bauprodukte auszuweisen.
  • Dieses Treibhauspotenzial wird rechnerisch mit einem vom Auftraggeber vorgegebenen Schattenpreis je Tonne CO2e multipliziert und so wirtschaftlich bewertet (monetarisiert). Je höher der Schattenpreis je Tonne CO2e ist, desto deutlicher wird das rechnerische Ergebnis und umso wirkungsvoller ist der Schattenpreis bei der Suche nach klimaverträglichen Lösungen. Das Umweltbundesamt empfiehlt derzeit einen Kostensatz von EUR 237 je Tonne CO2e.
  • Dieser Schattenpreis wird nur für die Zwecke der Angebotswertung auf den Angebotspreis aufgeschlagen. Die Summe bildet den Wertungspreis. Der niedrigste Wertungspreis erhält den Zuschlag.

Dieses Modell wenden öffentliche Auftraggeber etwa in den Niederlanden und in Norwegen und vereinzelt auch in Deutschland an. Auch die Europäische Kommission empfiehlt die Wertung der Treibhausgasemissionen. Das Modell ist vergabe- und haushaltsrechtlich zulässig.

Ganzheitlichkeit

Auch für klimaverträgliches Bauen gilt die goldene Regel aller Bauprojekte: Die Weichen werden in den frühen Planungsphasen gestellt. Klimaverträgliche Planung sollte daher die Innovationen und Fähigkeiten aller Projektbeteiligten berücksichtigen. Je früher diese eingebunden werden, desto besser kann ihr Know-how genutzt werden. Dies gilt auch für die Einbindung der Bauindustrie. Alle Beschaffungsmodelle eröffnen hierfür Wege. Die Zulassung von Nebenangeboten, die Nutzung (teil)funktionaler Leistungsbeschreibungen, die Bewertung des Treibhauspotenzials eingesetzter Materialien oder die Einbindung des Baus in die Planung sind zentrale Instrumentarien. Vergaberechtlich ist ihre Nutzung zur Erreichung der Klimaschutzziele zulässig.

Partnerschaft

Die Risiken aus der Beschreitung neuer Wege müssen partnerschaftlich geteilt werden. Die Abwägung von Klimarisiken mit Innovationsrisiken kann es sinnvoll machen, die Abweichung von Standards zuzulassen und neue Materialien, Techniken und Methoden zu erproben. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft geäußert, für mehr Innovationen auch Risiken einzugehen und hierfür Reallabore und Experimentierklauseln zu nutzen. Diese Risiken sind zwischen den Beteiligten fair zu teilen, um die Voraussetzungen für Innovationen überhaupt erst zu schaffen. Vertragliche Mechanismen zur Teilung von Risiken und zur Schaffung von Anreizen sind vergabe- und haushaltsrechtlich zulässig.

Vorhandene Potentiale zum Klimaschutz kurzfristig nutzen

"Klimaverträgliches Bauen kann zunächst zu höheren Investitionskosten führen", geben die Gutachter zu. "Schon immer war es aber ökonomisch richtig, nicht nur die unmittelbaren Beschaffungskosten, sondern die Lebenszykluskosten zu berücksichtigen." Nunmehr sei auch gesetzlich gefordert, die Kosten von Klimafolgen zu berücksichtigen. Dies stehe im Einklang mit dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Denn die volkswirtschaftlichen Folgekosten des Klimawandels in Deutschland bis 2050 werden abhängig von dessen Intensität auf EUR 280 Mrd. bis EUR 900 Mrd. geschätzt. Der Wille des Bauindustrie-Hauptverbands sei da, Klimaschutz zu einem wichtigen Faktor beim Bauen zu machen. Es gebe auch erste Versuche, Klimaschutz in der Planung und Beschaffung zu verankern. Anders als in vielen europäischen Staaten gebe es in Deutschland aber keine Standards zum Klimaschutz beim Bau und so herrsche im Markt große Verunsicherung. Das vorliegende Impulspapier beschreibe, welche Wege für die Beschaffung klimaverträglicher Bauwerke gegangen werden müssen und enthalte konkrete Handlungsempfehlungen für die öffentlichen Auftraggeber. Die Diskussion der Lösungswege werde zeigen, dass auch alternative oder ergänzende Wege gangbar sind, um in der Vergabe Anreize für klimaverträgliches Bauen zu schaffen. Mit den gesammelten Erfahrungen und der Verfügbarkeit weiterer Daten werde darüber hinaus eine Fortschreibung der Vorschläge möglich und notwendig: "Die Vorschläge bauen auf praktischen Erfahrungen in anderen EU-Mitgliedstaaten auf und sind sofort umsetzbar. Sie können also einen schnellen Beitrag dafür leisten, dass alle Partner der Wertschöpfungskette Bau die vorhandenen Potentiale zum Klimaschutz kurzfristig nutzen und weiterentwickeln."

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.