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Symbolbild Michael Gaida (Pixabay)

Von und über natureplus

Urban Mining

Urban Mining ist das Konzept, unsere gebaute Umwelt als Quelle von Rohstoffen anzusehen. Denn ungeheure Mengen an Rohstoffen sind heutzutage im Gebäudebestand als anthropogene Lagerstätte gebunden.

July 15, 2020

"Urban Mining" war am 24. Juni das erste Thema der natureplus Webseminarreihe zum Thema Circular Economy im Bauwesen. Annette Hillebrandt, Architektin und Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal, gab mit ihrem Vortrag „Urban Mining Design: Gebäudeabfall reduzieren – in Materialkreisläufen denken“ einen Überblick zu Urban Mining Strategien als Beitrag zur Baustoffwende. „Müll ist ein Designfehler“ meinte sie ein wenig provokativ zu Beginn ihres Vortrags angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens in Deutschland aus Bauschutt besteht. Diese Baustoffabfälle landen dann nach dem Nutzungsende der Gebäude überwiegend auf Abfalldeponien oder werden zur Geländeverfüllung eingesetzt. Zugleich wächst hierzulande der Ressourcenverbrauch: Nur ca. 9% der Rohstoffversorgung kann die EU aus eigenen Quellen decken, ist einem Bericht der EU-Kommission von 2014 zu entnehmen. Bei den kritischen Materialien wie z.B. den Metallen Zink, Kupfer oder Kobalt wird der Anteil der Eigenversorgung mit unter 3% angenommen. Die natürlichen Lagerstätten von Rohstoffen sind weltweit zu einem erheblichen Teil bereits ausgeschöpft und ihre weitere Gewinnung aus der Natur ist mit Umweltschäden und Biodiversitätsverlust verbunden.

Urban Mining als Paradigmenwechsel für ein Bauen im Anthropozän

Urban Mining ist demgegenüber das Konzept, unsere gebaute Umwelt als Quelle von Rohstoffen anzusehen. Denn ungeheure Mengen an Rohstoffen sind heutzutage im Gebäudebestand als anthropogene Lagerstätte gebunden. Deutschland verfügt nach Angabe des Umweltbundesamtes über ein anthropogenes Lager von über 50 Mrd. t Materialien, teilweise in Gütern enthalten, teilweise in Abfällen. Dieses Lager wächst jährlich um 10 Tonnen pro Einwohner. Urban Mining Design baut darauf, dass Baumaterial aus diesen antropogenen Lagerstätten zur Gewinnung von Sekundärbaustoffen herangezogen wird.

Für den von ihr geforderten „Paradigmenwechsel für ein Bauen im Anthropozän" machte Prof. Hillebrandt den Unterschied zwischen Wiederverwendung und Wiederverwertung von Materialien deutlich. Bei der Wiedergewinnung von Baumaterial ist man angewiesen auf die Trennbarkeit von Konstruktionen und Baustoffen. Ein Nachnutzungspotenzial entsteht durch rückbaubare Konstruktionen mit lösbaren Verbindungen z.B. durch klemmen, klipsen, einhängen oder Auflast. Sind Stoffgruppen sortenrein trennbar, wird Recycling ermöglicht, eine zerstörungsfreie Demontage ermöglicht Re-Use. Voraussetzung dafür ist eine "zirkuläre Planung" und die wiederum wird nur möglich durch eine "zirkuläre Kostenbetrachtung über den gesamten Lebensweg der Immobilie einschließlich ihrer Umweltwirkungen“, so Hillebrandt.

Zirkuläre Materialien und Instrumente zur Durchsetzung

Konkrete Beispiele für zirkuläre Planung waren etwa der Skelettbau, der - anders als der Massivbau - horizontale und vertikale Flexibilität und eine modulare Gebäudestruktur ermöglicht, wartungs- und reparaturfreundliche Haustechnik oder auch Schraubfundamente, welche den Boden schonen und zugleich rückbaubar und recyclingfähig sind. Statt verklebter Dämmstoffplatten könnten Dämmstoffe lösbar befestigt werden und anstelle von Materialkompositen wie WPC plädierte sie für sortenreines, kreislauffähiges Material wie Holz. Während heute schon 99 % des Baustahls ins Recycling geht und Stahl aktuell bereits zu 35 % aus recyceltem Material besteht, werden in Deutschland nur nur 0,5 % des Betonbruchs zu RC Beton Gesteinskörnung verwertet (EU-weit immerhin ca. 6%), obwohl Beton maximal aus ca. 40 % Altmaterial bestehen könnte. Ein 100 % Recyclingpotential sieht sie auch bei Kupfer, Glaskeramik, Lehmbauplatten oder vielen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen.

Hillebrandt forderte die Umsetzung der Produktverantwortung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, durch welches Hersteller und Vertreiber verpflichtet werden können, Produkte nur bei einer Rückgabemöglichkeit in Verkehr zu bringen. Dringend notwendig sei auch die Einführung eines elektronischen Gebäude-Ressourcenpasses, welcher alle Materialien, Bauteile und ihre Verbindungsmittel, einschließlich der Lebensdauern, erfasst und kartiert und so einen geplanten Rückbau erst ermöglicht. Eine weitere Idee war die Verpflichtung des Bauherren zu einem Rückbaukonzept bereits beim Bauantrag und eine Kautionsstellung für entstehende Rückbaukosten und den nicht wiederverwendbaren Abfall als Voraussetzung der Baugenehmigung.

DGNB setzt auf Circular Economy

Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), wies auf den "Earth Overshoot Day" hin, wonach wir in Deutschland bereits ab dem 3. Mai bei den Ressourcen "auf Pump" leben und forderte eine "Materialwende", um die Potenziale der Kreislaufwirtschaft zu nutzen. Der 2019 von der DGNB veröffentlichte und kostenlos online verfügbare „Circular Economy Report – Kreisläufe schließen, heißt zukunftsfähig sein“ bietet einen Leitfaden zum Schließen von Kreisläufen im Bauwesen und stellt konkrete Lösungen und Werkzeuge in Form einer Online Toolbox zur Verfügung. Circular Economy bezeichnete sie als ein Kernthema im DGNB System Neubau und Quartiere und zudem gebe es nun ein DGNB-Zertifikat für einen nachhaltigen Rückbau. Zusätzlich wurden Circular Economy Boni in allen Nachhaltigkeits-Qualitäten eingeführt, die Circular Economy Lösungen auf der Gebäudeebene bewertbar und messbar machen und sich in Form von Zusatzpunkten positiv auf das Zertifizierungsergebnis auswirken können. Die DGNB ist zudem Mitveranstalterin der Webseminarreihe.

Unter der Leitung der freiberuflichen Redakteurin Katharina Brenner schloss sich an die Vorträge eine lebhafte Diskussion an, die neugierig machte auf den weiteren Ablauf der Seminarserie. Mit Umfragen und über die Chatfunktion gelang es, die über 100 Teilnehmer auch in diesem digitalen Format gut einzubinden. Eingangs hatte Tilmann Kramolisch, der Geschäftsführer von natureplus, die Ziele des Veranstalters kurz vorgestellt und angedeutet, dass die Erkenntnisse aus der Veranstaltungsreihe in die Kriterienentwicklung von natureplus einfließen sollen. 

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